When the builder of St. Magnus’ Church, Bishop Salomon, once visited the monastery of St. Gallus from his episcopal see in Constance, he brought with him a virgin known for her virtues, named Wiborada. After a small house had been built at a certain cell on the mountain, next to the church of St. George (now St. Georgen), she stayed there for almost four years, abstaining from food and drink to such an extent that hardly anyone can believe the narrator. For while she remained constantly, by night and by day, in the church, she persevered in prayer and night vigils under the untiring solicitude of divine love, so that she never entered that little house, except rarely in unavoidable cases, be it to enjoy some sleep, be it to refresh her sober body once after three days. Serving God in these exercises and chastising her tender body from day to day in doubled fasting, she lived alone in spirit, while her limbs decayed.
But these self-tortures were not enough for Wiborada. She wanted to be locked up in a small dwelling, which had been built for her close to the St. Magnus church (in the north-east corner). When the venerable bishop came to the monastery anew, he ordered, since the little hermitage for which she had thirsted all her life had already been made ready, that she be led to him, sending some monks, and, honouring and blessing her with a few words, the bishop closed the hermitage. This happened in the year 916. The hermitage did not have a door; only through the little window did the enclosed person communicate with the outside world. A very rough robe woven from animal hair covered her limbs; she wore an iron chain instead of a belt.
In the spring of 926, the Hungarians advanced into our regions. Under their abbot Engilbert, the brothers of St. Gallen had found a safe refuge on a peninsula on the Sitter. The hermit Wiborada was also warned to flee, but she would not hear of it. Her own brother, the elderly monk Hitto, the overseer of the church of St. Magnus, rescued himself into the nearest forest at her request. She alone remained behind and met her death.
T. Pestalozzi.
(The Church of St. Magnus, St. Gallen, Fehr.)
Wiborada, die Klausnerin, und ihr Märtyrertod, 926
Als der Erbauer der St. Magnuskirche, Bischof Salomon, einst von seinem Bischofssitze Konstanz aus einen Besuch im Galluskloster machte, brachte er eine durch ihre Tugenden bekannte Jungfrau, Namens Wiborada, mit sich. Nachdem dann bei einer gewissen, auf dem Berg gelegenen Zelle, neben der Kirche des hl. Georg (dem jetzigen St. Georgen), ein kleines Häuschen errichtet worden war, blieb sie da beinahe vier Jahre, indem sie in so grosser Enthaltsamkeit von Speise und Trank sich einschränkte, dass kaum jemand es dem Erzähler zu glauben vermag. Denn während sie beständig, bei Nacht und bei Tag – in der Kirche verblieb, verharrte sie in Gebet und Nachtwachen unter unermüdlichem Anstehen der göttlichen Liebe, so dass sie niemals jenes kleine Haus betrat, ausser selten in unvermeidlichen Fällen, sei es, dass sie etwas Schlaf geniessen, sei es, dass sie dazwischen einmal nach drei Tagen den nüchternen Leib erfrischen wollte. In diesen Übungen Gott dienend und von Tag zu Tag in verdoppeltem Fasten den zarten Körper züchtigend, lebte sie allein im Geiste, während die Glieder verfielen.
Der Wiborada genügten aber diese Selbstpeinigungen noch nicht. Sie begehrte danach, in einer kleinen Behausung, welche für sie dicht an der St. Magnuskirche (in der nordöstlichen Ecke) errichtet worden war, eingeschlossen zu werden. Als der ehrwürdige Bischof von neuem zum Kloster kam. befahl er, da die kleine Klause, nach welcher sie in ihrem ganzen Leben dürstete, schon bereit gemacht war, unter Entsendung einiger Mönche, dass sie zu ihm geführt werde, und indem der Bischof sie mit wenigen Worten beehrte und segnete, verschloss er die Klause. Das geschah im Jahre 916. Eine Türe hatte die Klause nicht; nur durch das Fensterchen verkehrte die Eingeschlossene mit der Aussenwelt. Ein aus Tierhaaren geflochtenes, sehr rauhes Gewand hüllte ihre Glieder ein; eine eiserne Kette trug sie anstatt eines Gürtels.
Im Frühjahr 926 drangen die Ungarn bis in unsere Gegenden vor. Unter ihrem Abt Engilbert hatten die Brüder des hl. Gallus auf einer Halbinsel an der Sitter einen sichern Zufluchtsort gefunden. Man mahnte auch die Klausnerin Wiborada zur Flucht; sie aber wollte davon nichts wissen. Ihr eigener Bruder, der schon betagte Mönch Hitto, der Aufseher der Kirche St. Magnus, rettete sich auf ihre Bitten in den nächsten Wald. Sie allein blieb zurück und fand den Tod.
T. Pestalozzi.
(Die St. Magnuskirche, St. Gallen, Fehr.)
